Titicacasee

von mrandmrssippy

Tag 7, Freitag, 13. Dezember 2019 – …von hier kommt also Papa Langstrumpf

Uns stand heute wieder eine achtstündige Busfahrt bevor. Dem Busfahren trauern wir eindeutig nicht nach, wenn wir dann unser Ziel erreicht haben. Ein mitreisender, älterer Kanadier hatte es heute morgen um 05:30 Uhr treffend ausgedrückt: «Von diesen Busfahrten, sei es am frühen Morgen oder mitten in der Nacht, habe ich langsam die Schnauze voll!» 🙂 . An einer Tankstelle hielten wir mit der ganzen Busgesellschaft, um alle mit Frühstück einzudecken. Obwohl wir zuerst ein wenig misstrauisch waren, mussten wir später zugeben, dass das Brot super geschmeckt hat.

Das heutige Tagesziel Puno direkt am Titicacasee belohnte uns für die Busfahrt mit Sonne und strahlend blauem Himmel. Es ist die Hauptstadt der gleichnamigen Region und dementsprechend belebt. In früheren Zeiten war sie bekannt für ihre ergiebigen Silberminen. Die einfachen Backstein-Häuser ziehen sich wie eine Lawine den Berghang hinab bis zum Hafen am Titicacasee.

Nun waren wir gespannt, ob das mit unserem weiteren Transport klappte. Wir buchten uns nämlich für diese Nacht eine spezielle Unterkunft. Pünktlich auf die Minute kam dann auch tatsächlich unser Taxi, welches uns an einen kleinen Hafen am Titicacasee brachte. Dort wartete auch schon mit einem kleinen Motorböötchen unser Gastgeber für die heutige Nacht. Was für ein Abenteuer. Wir sassen auf einer Decke auf diesem Boot und fuhren auf dem Titicacasee und mussten unsere Backpacks festhalten, damit diese nicht über Bord gingen. Genau so stellen wir uns das Reisen vor 🙂 .

Der Titicacasee befindet sich auf der Altiplano-Hochebene auf 3’800 Metern über Meer. Er ist der damit das höchstgelegene kommerziell schiffbare Gewässer der Erde und der grösste Süsswassersee Südamerikas. Der westliche Teil gehört zu Peru und der östliche zum benachbarten Bolivien.

Nach ca. 15 Minuten sind wir bei unserer Unterkunft angekommen. Wir verbrachten unsere Nacht auf einer schwimmenden Schilf-Insel der Uros. Die indigenden Uros wurden von den kriegerischen Inkas und spätern von den Spaniern verfolgt und haben sich deshalb im hohen Schilf versteckt. Da kam ihnen die Idee aus den vorhandenen Rohstoffen schwimmende Inseln zu bauen. Heute gehören dieser ethnischen Gruppe lediglich noch rund 2’000 Personen an.

Die Gastgeber Wilbert und Delia hatten uns sehr herzlich in Empfang genommen. Auf der mittlerweile 12 Jahre alten Insel leben insgesamt drei Familien von Grosseltern bis zu den Kleinkindern. Wir waren erstaunt, wie gut ausgebaut die kleinen Schilf-Hütten auf dieser Insel sind. Nachdem wir unser Zimmer bezogen hatten, beobachteten wir die Familie, wie sie ihre Insel renovierte 🙂 . Sie hatten gerade eine neue Ladung Schilf erhalten und schichteten dies nun auf. Als sie dies erledigt hatten, wurden wir in typische Uro-Klamotten gesteckt (und nein wir zeigen die Bilder hier nicht 😉 ) und wurden mit dem hauseigenen Schilfboot in der Nachbarschaft herum gefahren. Unterwegs hatte uns Wilbert auch erklärt, wie man eine solche Insel baut und wie viel Arbeit darin steckt, diese am Schwimmen zu erhalten. Die Inseln bestehen aus 2 – 3 Metern dicken Schilfgrasschichten. Alle zwei Wochen müssen diese von oben neu aufgeschichtet werden (weil durch die Feuchtigkeit von unten alles verfault). Wir waren erstaunt was die Uros aus dem Rohstoff Schilf alles herstellten: Inseln, Hütten, Seile, Körbe oder Hüte. Ja sogar als Snack für Zwischendurch musste die Pflanze herhalten – dies nennt man dann «Titicaca-Banane» erzählte uns Wilbert schmunzelnd.

Zurück auf der Insel wurde extra für uns ein kleiner Markt aufgebaut. Es war schwer nichts zu kaufen, deshalb entschieden wir uns für einen kleinen von Hand gewebten Kissenbezug (das war das kleinste was es gab, ansonsten waren es mehrheitlich riesige Wandteppiche 🙂 ). Später bekochte uns Delia vorzüglich. Es gab eine Spargelsuppe, Hühnchen mit Kartoffeln und Gemüse. Wir waren extrem positiv überrascht. Der so bekannte Sonnenuntergang wurde uns leider nicht gegönnt. Die Sonne ging hinter dicken Wolken unter.

Die Übernachtung war für uns ein einmaliges Erlebnis auch wenn diese in der unbeheizten Schilf-Hütte eiszapfenkalt war und man mit ganz einfachen hygienischen Bedingungen (Kompost WC mit Schaufel und Sandeimerchen…) auskommen musste. So konnten wir uns gleich mal auf die kommende Trekkingwoche vorbereiten.

Tag 8, Samstag, 14. Dezember 2019 – Von strickenden Männer

Die Nacht war aufgrund der Kälte etwas unruhig und wir wurden immer mal wieder von Schritten auf der kleinen Schilfinsel aufgeschreckt. In der absoluten Stille fernab jeglicher Zivilisation hörte man auf dem Schilf nämlich jeden Schritt. Ganz schön unheimlich – vor allem wenn man vorher Horrorgeschichten über Menschenopfer-Rituale in Puno gehört hatte. Der Morgen war eiskalt und draussen regnete es in Strömen. Doch dem mystischen Anblick des Titicacasees am Morgen tat dies keinen Abbruch. Wir waren froh, dass es zum Frühstück heissen Coca-Tee gab um unsere Hände und Mägen etwas aufzuwärmen. Mrs. Sippy plagte seit der Nacht starkes Kopfweh, was sicherlich der Höhe geschuldet war.

Am Frühstückstisch sass dann auch plötzlich noch ein weiterer Herr. Er kam spät nachts an und war vermutlich die Quelle der Schritte und Geräusche, welche uns nachts aufschrecken liessen. Wir mussten über unsere eigene Schreckhaftigkeit schmunzeln 🙂 . Der etwa 50-jährige und anfangs etwas unheimliche Australier erzählte uns, dass er aus Iquitos kam. Er liesse sich dort als Schamane ausbilden (hier fing unser Kopfkino mit den Menschenopfer-Ritualen wieder an). Er hatte aber einiges Interessantes zu berichten und es ist immer wieder spannend auf was für Menschen man während einer Reise trifft.

Plötzlich kam bei Delia eine leichte Hektik auf. Wir buchten über sie einen Ausflug zur Isla Taquile mit einem grösseren Schnellboot. Und Wilbert musste uns schliesslich noch mit seinem kleinen Böötchen dort hin bringen. So folgte eine kurze, aber liebevolle Verabschiedung und wir wurden mitten auf dem See der Crew des Tourenveranstalters übergeben. Es war sehr abenteuerlich von unserem kleinen Böötchen direkt auf das grosse Schnellboot mit unseren grossen Rucksäcken gehievt zu werden. Inzwischen scheinte sogar wieder die Sonne und es war angenehm warm.

Die Insel Taquile liegt ca. 45km von Puno entfernt mitten auf dem Titicacasee. Sie ist nur 5.5km lang und 1.6km breit. Der höchste Punkt der Insel liegt aber auf 4’050 Metern über Meer. Die Insel ist vom Tourismus nicht sehr überlaufen, da man von der Anlegestelle bis ins kleine Dörfchen eine halbe Stunde bergauf laufen muss. Joah, dass geht ganz schön in die Puste in dieser Höhe 🙂 . Die trockenen Hänge der Insel mit ihren Terrassenfeldern und das glasklare Wasser erinnerten uns sofort an Griechenland. Es ist verblüffend, wie sich manche Orte tausende von Kilometer entfernt so ähnlich sein können.

Während die Uros (wo wir gestern übernachtet hatten) Aimara sprechen, wird hier Quechua gesprochen. Berühmt ist die Insel dafür, dass die Jungs hier bereits im Alter von fünf Jahren das Stricken lernen. Hier stricken nur die Männer und das den ganzen Tag und sogar beim Laufen.

Die Insel gehörte zum einstigen Inkareich und die Bewohner hatten es geschafft, sich sehr erfolgreich vor den spanischen Eroberern zu verstecken. Diese dachten nämlich anfangs, dass die Insel unbewohnt war. So gehörte die Insel dann zu den letzten Gebieten im peruanischen Hochland, welches von den Spaniern erobert wurden.

Die Insel wurde in den 1930er Jahren als Gefängnisinsel genutzt, unter anderem für den ehemaligen peruanischen Präsidenten Luis Miguel Sanchez Cerro (er konnte nicht schwimmen und so konnte er auch nicht fliehen 🙂 ). Sieben Jahre später kauften sich die Einheimischen jedoch die Eigentumsrechte zurück und erhielten so auch ihre Insel zurück. Die heutigen Einwohner sind getreu dem alten Inka-Kodex sehr fleissig. Ihr Motto lautet: Ohne Arbeit, kein Essen. So baut auch jeder sein eigenes Gemüse auf den wunderschönen Terrassenfeldern an und bringt die Lieferungen von der Anlegestelle zu Fuss ins Dorf (immerhin 500m steil bergauf). Die Gemeinschaft hilft sich untereinander. Auf der Insel gibt es auch keine Kriminalität. Die rund 1’700 Einwohner leben friedlich untereinander – gibt es mal Probleme muss sich der Schuldige vor der ganzen Gemeinschaft öffentlich auf dem Dorfplatz verantworten.

Wenn man als Tourist die Insel besucht, ist man auf ein Mittagessen bei einer Familie eingeladen. Es gibt frische Forelle aus dem See und Kartoffeln und Reis. Die verschiedenen Familien wechseln sich im Wochenrhythmus ab um die Gäste zu bekochen. Die Einnahmen aus dem Tourismus werden so auch fair verteilt.

Nachdem Essen ging es mit dem Schnellboot wieder zurück nach Puno. Dort wurden wir direkt zur Abholstelle von Peru Hop gebracht. Dort mussten wir nun fünf Stunden Zeit tot schlagen, bis der Nachtbus nach Cusco los fuhr. Da Mrs. Sippys Kopfschmerzen immer stärker wurden, entschieden wir uns nach einer Weile noch etwas essen und vor allem trinken zu gehen. Die Dehydrierung auf einer solchen Höhe ist das unvorteilhafteste. Wir assen megamässige Nachos mit einer grandiosen Guacamole. Irgendwann war dann auch die Zeit um und der Bus holte uns ab. Wir versuchten auf der 8-stündigen Nachtfahrt zu schlafen und waren schon voller Vorfreude auf das morgige Ziel: Die einstige Hauptstadt des Inkareiches – Cusco!

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